Die Kriegsgräberstätte heute

Der gegenwärtige Zustand der Kriegsgräberstätte ist heute noch immer durch die intensiven Bau- und Gestaltungsmaßnahmen aus den 1960er und 1970er Jahren bestimmt. Das Gelände ist, wie bei Begehungen und Forschungen zwischen 2020 und 2022 wiederholt festgestellt wurde, gepflegt. Seit 2004 ist das Land Niedersachsen, vertreten durch das Innenministerium, für die Pflege und Instandhaltung des Friedhofsgeländes verantwortlich.

Erst seit einigen Jahren stellen auch Privatpersonen als Angehörige ehemaliger Opfer des Lagers Dalum Grabsteine für die ihre hier bestatteten Familienmitglieder in Dalum auf. Im Vorfeld muss vor dem Aufstellen eines privaten Gedenksteins die Zustimmung dafür beim Ministerium eingeholt werden. Bei den oben genannten, mehrfachen Begehungen zwischen 2020 und 2022 wurde mehrfach festgestellt, dass die von Angehörigen zentral aufgestellten oder in die Wiese eingelassen Steine und zugehöriger Grabschmuck an einen Ort in einer Hecke am östlichen Rand des Geländes versetzt wurden. Einen offiziellen Sammel- und Aufstellungsort der privaten Gedenksteine gibt es somit bisher nicht; die Frage danach wird derzeit noch vom Niedersächsischen Innenministerium diskutiert. 

Mag die Praxis des Versetzens der Steine aus pragmatischen Gründen, wie der Rasenpflege erfolgen, so ist sie ikonographisch problematisch.
Zwar hat die Bepflanzung von Gräberfeldern auf Kriegsgräberstätten mit einer einheitlichen Rasenfläche in Deutschland eine lange Tradition und Deutungsgeschichte, die nach ihren Architekten u.a. "das uniforme Kollektiv der Gefallenen zum Ausdruck"1 bringen sollte. Dass im Falle der Gedenkorte der Opfer des nationalsozialistischen Terrors damit häufig auch eine bewusste Anonymisierung von beispielsweise sowjetischen Soldaten, aber auch von zivilen Opfern einherging, die Gestaltung der Kriegsgräberstätten also undifferenziert die genauen Todesumstände verallgemeinerte (,im Krieg Getötete’) sowie eine individuelle Würdigung einzelner Toter verhinderte, lässt sich bis heute häufig besonders auf den ebenso problematisch benannten 'sowjetrussischen Kriegsgräberstätten' beobachten. Neuere Forschungen und das private Gedenken der Angehörigen durchbrechen die Anonymisierung endlich.2 Der Eingriff in die private Gedenkpraxis an einem wiederum öffentlichen Gedenkort durch Umstellen der privaten Gedenksteine eröffnet jedoch erneut Fragen nach der Gestaltung und Würdigung einzelner Gedenkinitiativen.

Dass die einzelnen Opfer endlich die notwendige Sichtbarkeit über die Nennung ihrer Namen erhalten sollten, ist schon lange Thema im Kontext der Gedenkkultur: Im Zuge des 'Namensziegelprojekts' des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) sollten Namen und Lebensdaten von Bestatteten präsentiert werden.
Für das Jahr 2023 ist ein 'Runder Tisch' mit Vertreter:innen aus dem Innenministerium des Landes Niedersachsen, dem VDK sowie der Gedenkstätte Esterwegen angesetzt, in dem neue Formate des Gedenkens diskutiert werden sollen. Außerdem beabsichtigt die Gedenkstätte in Kooperation mit dem VDK und regionalen Bildungseinrichtungen die Aufstellung neuer, Kontext orientierter Hinweistafeln auf Basis der Erkenntnisse der letzten Jahre. Einen weiteren wichtigen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Kriegsgräberstätte und dem Lager Dalum wird die Dissertationsschrift von Co-Gedenkstättenleiter der Gedenkstätte Esterwegen, Martin Koers, liefern.

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[1] siehe dazu Lurz, M. (1989).
[2] siehe dazu Haase, N. (2003).