Lager III Brual-Rhede
Im nördlichen Emsland - in dem Ort Brual-Rhede - bestand zwischen 1934 und 1945 das Lager III Brual-Rhede. Es wurde zunächst als Konzentrationslager für 1.000 Häftlinge geplant, dann aber ab Mai 1934 von der Justizverwaltung als Strafgefangenenlager genutzt. Die Bewachung übernahm eine im Dienst der Justiz stehende SA-Einheit, die später durch Justizbeamte ergänzt wurde.
Anfang 1938 plante die Justiz eine Erweiterung des Lagers, um 1.500 Gefangene unterbringen zu können. Im September 1938 wurden jedoch acht Baracken abgebaut und in die Pfalz gebracht. Sie dienten dort als Unterkünfte für Gefangene, die beim Ausbau des 'Westwalls', einer Wehrgrenze zu Frankreich, Zwangsarbeit leisten mussten.
Mit Kriegsbeginn wurden im Lager III Brual-Rhede auch von Wehrmachtsgerichten verurteilte Soldaten inhaftiert.
Die Gefangenen des Lagers III Brual-Rhede mussten bis Kriegsbeginn überwiegend harte Zwangsarbeit in der Moorkultivierung leisten. Nach Kriegsbeginn wurden sie häufiger in der Landwirtschaft oder in Betrieben eingesetzt. 1944 wurde direkt am Lager eine Produktionsstätte für Flugzeugteile der Bremer Rüstungsfirma Klatte errichtet, in der fortan die Gefangenen arbeiten mussten.
Einer der durch die Wehrmacht gerichtlich Verurteilten war Franz Gruber. Gruber, der 1906 in Innsbruck/Österreich geboren wurde, kam im Laufe seines Lebens des Öfteren in Konflikt mit dem Gesetz und war mehrfach vorbestraft. Aufgrund der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich durch das NS-Regime mussten auch Österreicher Dienst bei der deutschen Wehrmacht leisten. So kam es, dass auch Gruber Teil der Wehrmacht wurde. Als Soldat sei Gruber oftmals ungehorsam und undiszipliniert gewesen.1 1942 setzte er sich von seiner Truppe ab. Als Gruber trotz Versuchen, sich zu verstecken, aufgefunden werden konnte, wurde er schließlich von einem Kriegsgericht aufgrund von Fahnenflucht und demnach sogenannter 'Wehrkraftzersetzung' zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Folglich wurde Gruber sowohl im Strafgefangenenlager III Brual-Rhede als auch im Strafgefangenenlager I Börgermoor inhaftiert. Sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich durch die Haftbedingungen rapide, sodass Gruber 1943 im Krankenhaus in Papenburg starb. Seine Todesbescheinigung (rechts im Bild) bietet dabei ein eindrucksvolles Zeugnis über Grubers gesundheitlichen Zustand und die Haftbedingungen im Lager III. Todesursache war laut Bescheinigung eine Herz- und Kreislaufschwäche, die vermutlich auf die harte körperliche Arbeit und schlechte Verpflegung im Lager zurückgeführt werden kann. Begleiterkrankungen sind hier eine Sepsis (Blutvergiftung) und Urinphlegmone (Entzündung des Gewebes im Harn). Sie könnten ein Resultat schlechter hygienischer Zustände und schlechter gesundheitlicher Versorgung sein.2 Franz Gruber hinterließ eine Ehefrau und sechs Kinder.
Über die Verhältnisse im Lager III Brual-Rhede während des Krieges berichtete weiter die Zeitzeugin Susanne Kock. Geboren im Jahr 1923 in Ostfriesland, wuchs Susanne Kock ab ihrem sechsten Lebensjahr in Brual-Rhede auf. In der Zeit des Nationalsozialismus nahm sie zunächst an einem Einsatz des Reichsarbeitsdienst (RAD) teil, ehe sie 1943 eine Bürotätigkeit für die Firma Klatte im Lager III Brual-Rhede aufnahm. Die Firma Klatte produzierte eigentlich im ostfriesischen Weener Flugzeugteile für die Luftwaffe, 1943 eröffnete die Firma dann auch eine Abteilung am Lager III Brual-Rhede, um die Arbeitskraft der Gefangenen für die kriegswichtige Industrie zu nutzen, die durch den Ausfall von zur Wehrmacht einberufenen Soldaten stets Maßnahmen zur Beschaffung anderer Arbeitskräfte ergriff. So kam es, dass im Verlauf des Krieges vermehrt Gefangene zur Arbeit in der Rüstungsindustrie herangezogen wurden.
Die Arbeit bei der Firma Klatte war durch die von Gasen erfüllte Luft in den Werkstätten hoch gradig gesundheitsschädigend. Susanne Kock berichtet in ihrer Autobiografie von den schweren Misshandlungen, die die Gefangenen durch das Wachpersonal erleiden mussten. So konnten Gefangene Kock zufolge schon bei harmlosen Anlässen, die dem Wachpersonal missfielen, schwere körperliche Gewalt erfahren.
Im Februar 1945 befanden sich noch 700 Gefangene im Lager. Sie wurden Anfang April 1945 in das Lager II Aschendorfermoor verlegt.
Standesamtlich sind 59 Todesfälle beurkundet; die tatsächliche Zahl dürfte aber höher liegen. Die Toten wurden auf dem Lagerfriedhof Börgermoor, heute Begräbnisstätte Bockhorst/Esterwegen, beerdigt.
In der Nachkriegszeit wurde das Lager zunächst für ehemalige, überwiegend polnische Zwangsarbeitende genutzt, ehe das Land Niedersachsen dort von 1948 bis 1953 eine Strafanstalt unterhielt. Bis 1961 war das Lager ein Flüchtlingslager, vor allem für Menschen aus der damaligen DDR. Kurz darauf erfolgte die Nutzung als landwirtschaftliche Fläche.
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[1] Es ist nicht sicher, ob Franz Gruber sich tatsächlich Befehlen widersetzte oder lediglich von Institutionen der Wehrmacht als ungehorsam bezeichnet wurde. Häufig wurden Soldaten, die nicht der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen, als ungehorsam bezeichnet, um sie verurteilen zu können.
[2] Häufig wurde als Todesursache bei in Lagern verstorbenen Häftlingen und Gefangenen eine Herz- und Kreislaufschwäche angegeben. In vielen Fällen verschleierten die Wachmannschaften damit die gezielte Tötung von Häftlingen und Gefangenen. Für Franz Gruber lässt sich nicht mit abschließender Sicherheit sagen, dass er an der harten Arbeit und den schlechten Lebensbedingungen im Lager III Brual-Rhede gestorben ist. Es gilt allerdings als wahrscheinlich.