Lager I Börgermoor
Das Lager I Börgermoor bestand von 1933 bis 1945. Es gehörte neben den Lagern Neusustrum und Esterwegen zu den frühen Konzentrationslagern im Emsland. Ab Juni 1933 inhaftierten die nationalsozialistische Führung und der preußische Staat in dem für 1.000 Häftlinge ausgelegten Lager vor allem politische Gegner des neuen Regimes und setzten sie zur Zwangsarbeit in der Moorkultivierung ein. Im April 1934 wurde das Lager als KZ aufgelöst und als Strafgefangenenlager der Justiz weitergeführt. Folglich kamen Strafgefangene in das Lager, welche aufgrund politischer oder krimineller Tatvorwürfe durch die NS-Justiz verurteilt worden waren. Die Bewachung übernahm eine im Dienst der Justiz stehende SA-Einheit, die später durch Justizbeamte ergänzt wurde.
Die Häftlinge und Gefangenen der Emslandlager mussten bis zum Kriegsbeginn Zwangsarbeit in der Moorkultivierung leisten. Neben dieser täglich zehn bis zwölf Stunden andauernden, körperlich harten Arbeit war das Leben im Lager von Gewalt und Schikanen geprägt. Allerdings gehörte auch das Singen zum Lageralltag dazu.
"Gesungen wurde nahezu überall und bei jeder Gelegenheit: in den Baracken der Inhaftierten, beim Appell auf der Lagerstraße, während der Ankunft im Lager, beim Einmarsch und Ausmarsch der Arbeitskolonnen, zum Geburtstag oder auch nach dem Tod eines Lagerkameraden. [...] Lieder erklangen hier, weil einerseits die Wachmänner sie befahlen, um so Häftlinge zu disziplinieren, zu demütigen und zu verhöhnen; andererseits, weil Häftlinge mit dem Gesang gerade solcher Lieder, die nicht durch Befehle erzwungen waren, ihre Selbstbestimmung, Identität und Würde zu bewahren versucht."1
Ein Lied, welches die Selbstbestimmung und Würde der Häftlinge ausdrückt, entstand bereits im Sommer 1933 im Konzentrationslager Börgermoor. Eine Gruppe von Häftlingen entwarf gemeinsam das noch heute bekannte Lied 'Wir sind die Moorsoldaten'. Am 27. August 1933 wurde das Lied bei einer Lagerkulturveranstaltung mit dem zynischen Titel 'Zirkus Konzentrazani' von einem Häftlingschor erstmals gesungen. In diesem Lied - auch 'Moorsoldatenlied' oder 'Börgermoorlied' genannt - singen die Häftlinge über ihre Erfahrungen und das Leben im Lager. Die Häftlinge verarbeiten hierin die harte Arbeit im Moor, den Verlust der Freiheit und die Sehnsucht nach Heimat und Familie. Das Lied wurde einige Zeit nach der Uraufführung von der Lagerkommandantur verboten. Für das Verbot des Liedes sorgte die letzte Strophe und der sich ändernde Refrain, in denen in bildlicher Sprache das Ende der Haft und des NS-Regimes erhofft wird. Hierfür werden Formulierungen wie "ewig kann's nicht Winter sein"2 genutzt, die später von der Lagerleitung als konspirativ und gegen das NS-Regime aufbegehrend eingeschätzt wurden. Das Lied verbreitete sich dennoch unter den Häftlingen des Lagers Börgermoor und später auch in anderen Konzentrationslagern des Reiches. Heute gibt das Lied ein eindrucksvolles Zeugnis über die Erfahrungen der Häftlinge in den Konzentrationslagern und gilt als einer der bekanntesten Beispiele von (passivem) Widerstand in Lagern des NS-Regimes.
Nach Kriegsbeginn wurden im Lager I Börgermoor vermehrt von Wehrmachtgerichten verurteilte deutsche Soldaten untergebracht. Im Jahr 1944 verlegte die Justiz für kurze Zeit über 920 sogenannte Nacht-und-Nebel-Gefangene ebenfalls hierher. Hierbei handelte es sich um Widerstandskämpfer aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden, die nach Börgermoor gebracht wurden, da das für ihre Aufnahme vorgesehene Lager Esterwegen völlig überfüllt war.
Im April 1945 wurde das Lager geräumt und die Gefangenen mussten in das ungefähr zwölf Kilometer entfernte Lager II Aschendorfermoor marschieren. Die Alliierten fanden das Lager I Börgermoor schließlich leer vor.
Die Anzahl der Verstorbenen des Lagers I Börgermoor, welche aufgrund der in der Nachkriegszeit verlorenen Unterlagen unbekannt ist, wurden auf dem Lagerfriedhof Börgermoor, heute Begräbnisstätte Bockhorst/Esterwegen, beerdigt.
Nach Kriegsende wurde das Lager als Wohnort für Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und als Strafanstalt des Landes Niedersachsen genutzt. Diese Nachnutzung resultiert einerseits aus den kritischen ökonomischen Verhältnissen nach Kriegsende, andererseits zeigt sie allerdings auch wie schnell die NS-Vergangeheit verdrängt und wie wenig sie aufgearbeitet wurde. Das Abtragen der Gebäude erfolgte erst in den 1960er Jahren. Seit den 1990er Jahren bewirtschaftet ein Gärtnereibetrieb das Areal.
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[1] Ausländer, Fietje (2017): 'Wir sind die Moorsoldaten'. Lied und Gesang in den Konzentrationslagern Börgermoor und Esterwegen, in: Faulenbach, Bernd / Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933-1945, Göttingen: Wallstein-Verlag, S. 59-65.
[2] Auszug aus dem Lied 'Wir sind die Moorsoldaten'.