Einführung

Die Geschichte des Emslandes ist bis heute unter anderem von den 15 während der Zeit des Nationalsozialismus erbauten Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlager geprägt. Dabei erinnern heute sogenannte Kriegsgräberstätten1 als Orte des Gedenkens an die zwangsweise Internierten sowie die an ihnen verübten Gräueltaten des Nationalsozialismus. Kriegsgräberstätten, die deutschlandweit an Getötete beider Weltkriege erinnern, bezeichneten zunächst seit 1952 Friedhöfe, die offiziell vorrangig der Bestattung getöteter Soldaten dienten. Erst 1965 erweiterte der Gesetzgeber die Zuordnung um Grabstätten von Opfern des nationalsozialistischen Regimes. Einer dieser Orte ist die Kriegsgräberstätte Dalum (Geeste) im Emsland, die im Folgenden in dieser digitalen Ausstellung mit ihrer Geschichte als ein Ort der Transformationen kritisch reflektiert vorgestellt werden soll. Ziel der Ausstellung ist es, Einblicke in den Umgang mit dem Gedenken an nationalsozialistische Verbrechen und der sich über Generationen verändernden Aufarbeitung derselben auf regionaler und nationaler Ebene zu geben.

Bei der im Zentrum dieser Ausstellung stehenden Kriegsgräberstätte Dalum handelt es sich um einen ehemaligen Lagerfriedhof, der heute als Stätte der Trauer und des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus dient.

20210804_090643.jpg

Eingangsbereich der Kriegsgräberstätte Dalum (2020). (Foto: NGHM / Universität Osnabrück)

An Friedhöfen lassen sich, aufgrund ihrer Gestaltung regionale wie (inter-)nationale "Deutungsmuster des Erinnerns"2 ablesen. Sie können daher auch als "Monumentalisierung der Erinnerung"3 verstanden werden. Anhand des Umgangs mit der Kriegsgräberstätte Dalum lässt sich beispielhaft die Geschichte einer spezifischen regionalen Gedenkkultur erzählen, die in nationale Erinnerungsdebatten und -politiken eingebunden war und ist. Das Gelände in Dalum (Geeste) stellt bis heute einen Diskussionsgegenstand dar und ist im Rahmen von bundes- und europaweiten Diskursen zu bewerten. Ein Ziel dieser Ausstellung ist es, einerseits widersprüchliche Erzählungen rund um die Entstehung und Wahrnehmung der Kriegsgräberstätte sichtbar zu machen, die als andauernder wissenschaftlicher, politischer sowie allgemein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess gedeutet werden kann, um den Friedhof und seine Geschichte in der regionalen Gedenkkultur zu verankern. 

Die Ausstellung folgt inhaltlich zunächst der Geschichte des Lagers XII Dalum der Emslandlager (der Link zu einer Übersichtsausstellung wird Anfang 2023 erreichbar sein), welche in direktem Zusammenhang mit der Anlage des Friedhofs steht. Für die Phase der Nutzung des Geländes als Lagerfriedhof wirft die Ausstellung einen genaueren Blick auf die sich wandelnde Bestattungspraxis in den 1940er Jahren. Die Transformationen von einem Friedhof zu einem Ort des Gedenkens begannen unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region und erfuhren ihre bisher umfangreichste Manifestation durch Bauvorhaben und die Gestaltung des Geländes in der Bonner Republik, die das heutige Erscheinungsbild entscheidend prägten. Schließlich folgt ein Exkurs zu gesetzlichen Vorgaben rund um die Gestaltung von Kriegsgräberstätten, und bieten einen umfassenden Überblick über die sich ändernden Rechtsvorschriften zur Anlage, Umgestaltung und Pflege des Friedhofs durch die Zeit und verweist darauf, dass jene gestalterischen Maßnahmen nie im rechtsfreien Raum erfolgten. Die Ausstellung schließt mit der Vorstellung verschiedener Umgangsformen, darunter gegenwärtige Forschungen mit interdisziplinären Methoden und digitalen Repräsentationen des Geländes. 

2021-08-03 09.15.05.jpg

Tafel am Eingang zur Kriegsgräberstätte Dalum.
(Foto: NGHM / Universität Osnabrück)

Vor Ort findet sich auf einer kurzen Texttafel, die Angabe von "8.000 bis 16.000 Toten"4, die auf dem Gelände bestattet worden seien. Im Kontext einer kritischen Reflexion des Ortes und seiner Gestaltung ist diese Zahl kritisch zu hinterfragen: Woher kommt die numerische Angabe, welche Quellen finden sich zur Berechnung der möglichen Todeszahlen, wie wurde im Laufe der Überformung des Friedhofs mit den Zahlen umgegangen? Solche Fragen beschäftigen in den letzten Jahren vermehrt die historische Forschung sowie Gedenkstättenforschung und -pädagogik.

Im Rahmen der Recherche für diese Ausstellung wurde ein umfassendes Literatur- und Quellenverzeichnis zusammengetragen, das einer einführende und schließlich vertiefenden Lektüre und Forschung ermöglichte. Bei Interesse an weiteren Informationen, einem Besuch des Friedhofs oder bei Anregungen und Fragen können die üblichen Kontaktmöglichkeiten der Gedenkstätte Esterwegen oder deren Angebote bei einem Besuch in Esterwegen genutzt werden.

______________________________________________________________

[1] Die Kursivsetzung von einzelnen Wörtern kennzeichnet in dieser digitalen Ausstellung jeweils besonders hervorzuhebende Eigenbegriffe, die auf Eigennamen verweisen oder aus historischen Kontexten wie dem Nationalsozialismus stammen. Erstere dienen dem Verweis auf Institutionen, Eigenbegriffe, etc., von letzteren möchten wir uns als Autor:innen abgrenzen, nutzen zeitgenössische Begriffe aber aufgrund des hier vorgestellten historischen Kontextes. Der Übersicht halber werden solcherlei Begriffe nur einmal auf jeder Seite kursiv gesetzt. Längere, als solche gekennzeichnete Zitate werden ebenfalls kursiv gesetzt.
[2] Düben, Ann Katrin (2015b), Online verfügbar.
[3] Staats, Martina (2013), Online verfügbar.
[4] Siehe Bild 'Tafel am Eingang zur Kriegsgräberstätte Dalum'.

Einführung