Entwicklung zum Gedenkort

Auf den folgenden Seiten werden wichtige Entwicklungslinien, Akteure und Forschungslinien vorgestellt, die Anteil an der Herausbildung des heute als Kriegsgräberstätte Dalum bekannten Gedenkortes hatten und haben. Dabei liegt der Schwerpunkt der Darstellung zunächst auf der aktuellen Forschung, die sich heute verstärkt mit sogenannten Konfliktlandschaften1 beschäftigt und dabei Transformationen und Überformungen von historischen Gewaltorten untersucht.
Daraus hervorgehend wird die sogenannte Herbstschule Dalum aus dem Jahr 2021 vorgestellt, die es in einem von der Beauftragten für Kultur und Medien des Bundes (BKM) geförderten Projektes des Programms ,Jugend erinnert', Studierenden der Universität Osnabrück und FSJler:innen der Gedenkstätte Esterwegen in Kooperation beider Institutionen ermöglichte, interdisziplinäre Forschungsmethoden kennen zu lernen und selbstständig zu erproben. 
Weiter wird die Gründung der Gedenkstätte Esterwegen sowie die ersten Bildungsinitiativen im Kontext der ,Emslandlager' durch das Dokumentations- und Informationszentrums Emslandlager vorgestellt. 
Abschließend wird in einem digitalen Rundgang ermöglicht, sich das heutige Gelände der Gedenkstätte selbstständig zu erschließen und sich 3D-Scans einzelner Denkmäler zu betrachten. 

Die jeweilige Regierung des Bundes sowie der Länder und offizielle Stellen gehören zu den wichtigsten Akteur:innen bei der Formung und Gestaltung nationaler Erinnerungs- und Gedenkkultur. Die Gesetzeslage bestimmt jeweils die Rahmenbedingungen der Friedhofsgestaltung. Sie wird zu unterschiedlichen Zeiten von Politiker:innen des Bundes und jeweiligen Landes entwickelt und beschlossen. Lokale Politiker:innen setzen jene dann in der Regel um und vergeben Aufträge an lokale Gartenarchitekt:innen, Grünunternehmer:innen und Baufirmen. Die Wirkmacht im Regionalen ist nicht zu unterschätzen: 1951 sorgten Politakteur:innen vor Ort etwa zunächst für einen Ausschluss des Dalumer Lagerfriedhofs vom Anspruch auf Ewiges Ruherecht nach dem Kriegsgräbergesetz.

Da die hier getöteten und bestatteten sowjetrussischen Opfer des Zweiten Weltkrieges über innerdeutsche Angelegenheit von Gedenk- und Erinnerungskultur hinausweisen, spielen sowjetische bzw. heute russische Absichten im Umgang den Toten ebenfalls eine große Rolle.
Beispielsweise prägten sowjetische Politker:innen, die zunächst für die Gestaltung des Friedhofs in der unmittelbaren Nachkriegszeit verantwortlich waren, die späteren gesetzlichen Abkommen mit der Bundesrepublik zur Gestaltung von Ruhestätten sowjetischer Kriegstoter auf deutschem Boden.

Die außenpolitische Beschäftigung mit der Kriegsgräberstätte Dalum kann - wie in Bezug auf zahlreiche sogenannte Kriegsgräberstätten innerhalb Deutschlands - als lange Jahrzehnte bestehendes Desiderat verstanden werden. Dokumentiert ist lediglich ab 1977 ist ein alljährlicher Besuch dänischer Überlebender in Dalum. Seit einigen Jahren erhält der Ort vermehrt wissenschaftliche, gedenkstättenpädagogische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Die enge Zusammenarbeit zwischen Bildungsinstitutionen und regionalen Akteur:innen mit Vertreter:innen der Lokalpolitik kann als Indiz für die neue Qualität eines geschichtskulturellen Wandels im Emsland verstanden werden, dessen Ursprünge in bürgerlichem Engagement und einer Neuen Geschichtsbewegung in den frühen 1980er Jahren liegen und bereits ab Mitte dieses Jahrzehnts vom Landkreis Emsland für Lehrmaterialien und Konferenzen aufgenommen wurden.

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"Wir wollen einen Beitrag zum Erhalt dieses Erinnerungsortes leisten". Der Rotary Club Lingen reinigt im Rahmen eines 'Hands On Projektes' Steinstelen auf der Kriegsgräberstätte Dalum, 2020.
(Foto: Rotary Club Lingen (Ems))

Diese zeigt sich aber ebenso in der vermehrten Beschäftigung von Heimat- und Geschichtsvereinen und ansässigen Bürger:innen mit der, in unmittelbarer Nachbarschaft liegenden, Gedenkstätte.
So bemühen sich Bürger:innen regelmäßig um die Reinigung der Steinstelen und das Gelände. Bei mehreren Prospektionen und Voruntersuchungen zur Herbstschule Dalum im Jahr 2021, wurde zudem ein reges Interesse von Besucher:innen an gegenwärtigen Forschungsprozessen der Kriegsgräberstätte wahrgenommen. Zum 75. Jubiläum des Kriegsendes war zudem durch die Gemeinde Geeste eine Feier auf der Kriegsgräberstätte geplant, die aufgrund des Infektionsschutzes im Kontext der Covid-19-Pandemie abgesagt werden musste. 

Weiter erhalten Informationsveranstaltungen in den umliegenden Ortschaften regen Zulauf eines interessierten Publikums. Zeigten bereits in den 1950er Jahren regionale Akteur:innen Engagement bei der Pflege des Ortes, lässt sich eine solche Aktivität für die Jahrzehnte danach bisher nicht nachweisen.

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[1] siehe dazu Rass et al. (2022).