Richtlinien zur Bestattung von Kriegsgefangenen vor 1945

Forschungen, die der Frage nachgingen, nach welchen Maßgaben die sowjetischen Kriegsgefangenen in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges bestattet werden sollten und welche bürokratische Praxis der Dokumentation die Täter:innen dabei befolgten, zeigen folgende Richtlinien auf:

'Dog Tag' eines Kriegsgefangenen aus dem Stalag VI C

Sogenannten Dogtags, bzw. Erkennungsmarken, für ausländischen Kriegsgefangenen waren in ihrer Machart und Funktion denen für die deutschen Soldaten der Wehrmacht nachempfunden.
(Quelle: Archiv der Gedenkstätte Esterwegen (Slg. Bragulla, Münster))

"Für die Registrierung und Meldung der Sterbefälle von Kriegsgefangenen galten im Wehrmachtsbereich allgemeine Richtlinien [...]. Das 1940 vom OKW [Oberkommando der Wehrmacht] herausgegebene 'Merkblatt über Maßnahmen bei Sterbefällen von Kriegsgefangenen' schrieb dafür folgendes Verfahren vor:

1.) Mit der Meldung über den Sterbefall ist die halbe Erk[ennungs-].Marke an die Wehrmachtauskunftstelle einzusenden. Voraussetzung dafür bildet, daß die andere Hälfte bei der Leiche verblieben ist. [...]
2. Der Meldung sind ferner beizufügen:
a) die Personalkarten I und II,
b) eine Sterbefallanzeige, die von dem Arzt ausgestellt, unterschrieben und mit dessen Dienstsiegel versehen ist,
c) die Bezeichnung der genauen Grablage [...]

Diese grundsätzlichen Bestimmungen galten auch bei Sterbefällen sowjetischer Kriegsgefangener. [...] Es wurde mithin bei der Registrierung und Meldung der sowjetischen Toten keine Ausnahme von der bisherigen Praxis verfügt. [...] Diese Bestimmung wurde auch in der Zeit des Massensterbens [ab 1941] nicht aufgehoben."1

Alle neu in den Lagern angekommenen Kriegsgefangenen wurden "entsprechend ihrer Einlieferung, von 1 beginnend, laufend durchnummeriert"2 und erhielten Erkennungsmarken, die mit der Bezeichnung des Lagers und der jeweiligen individuellen Registrierungsnummer versehen waren. Die Marke hatte der Gefangene ständig an einer Schnur um den Hals zu tragen. Im Todesfall verblieb die obere Hälfte bei der Leiche, während die untere Hälfte zusammen mit den Personalunterlagen nach Berlin in die Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverluste und Kriegsgefangene (WASt) eingesandt wurde.

An die Gemeinden war mit dem Beginn der Unterbringung und dem Sterben sowjetischer Kriegsgefangener in Kriegsgefangenenlagern am 27. Oktober 1941 ein nicht-öffentlicher Erlass des Reichsministers des Inneren ergangen (Erlass IV e 10366/41 3991). Dieser regelte unter Punkt 9 die "Bestattung von Leichen sowj. Kr.Gef. durch die Gemeinden".
In einer späteren Verfügung des Oberkommandos der Wehrmacht3 , die inzwischen die Bestattung auf eigens errichteten Lagerfriedhöfen übernommen hatte, aus dem März 1942 zur "Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener" wird noch nicht deutlich, wie seit dem Massensterben im Winter 1941 die Beerdigungspraxis zunehmend die Fassade einer würdigen Bestattung verlor. Punkt "VII. Beerdigung" regelte neben der Grabestiefe die Bestattung in "starkem Papier oder sonst geeignetem Material". Außerdem wurde festgehalten, "Einäscherung [sei] gestattet [...]. Leichen von Mohammedanern sind jedoch unbedingt zu beerdigen, und zwar mit dem Kopf nach Osten, Gesicht gen Süden gekehrt".

Für die Pflege der Grabanlagen gab es ebenso klare Vorschriften. Im Januar 1942 wurde verordnet: "Grundsätzlich werden die Gräber gefallener Feinde, gleich welcher Nationalität, wie die deutschen behandelt". Das beinhaltete die Erhaltung der Grabhügel, die Pflege der Anpflanzungen "in einfacher soldatischer Form, nötigenfalls ihre Erneuerung sowie Erhaltung der Grabkreuze oder etwa vorhandener Grabsteine einschl. Erneuerung der Inschriften mit Ölfarbe". Für sowjetische Gefangene sollten diese Maßnahmen jedoch "nur in allereinfachstem Rahmen" erfolgen.

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[1] Keller, R. (2012a), o.S.
[2] Otto, R. et al. (2008), S. 566.
[3] siehe dazu: Oberkommando der Wehrmacht, Az. 2 f 24. 73 AWA/Kriegsgef. Allg. (Ia), Nr. 589/42 g vom 24.3.1942.

Gesetze
Bestattungspraxis in der NS-Zeit