Die Umgestaltung des Friedhofs zwischen 1950 und 1974

Artikel in der Meppener Tagespost zum "Totenwald von Dalum" ("Russenfriedhof", spätere "Kriegsgräberstätte") von 1955

Die Meppener Tagespost berichtete 1955 über die stattfindenden Umgestaltungsmaßnahmen, die der Osnabrücker Regierungspräsident in Auftrag gab, und deren Kosten. Zu dieser Zeit dient der sowjetische Obelisk im Zentrum des Friedhofgeländes noch als "Mahnmal".
(Quelle: Archiv der Meppener Tagespost)

Anfang der 1950er Jahre wurde der Friedhof wieder instand gesetzt und gepflegt, wie Berichten in der Lokalpresse zu entnehmen ist. Mit Wirkung zum 8. Mai 1951 wurde die KZ-Grabstätte Dalum, auf der die Toten aus der Zeit des Lagers Dalum als Außenlager des KZ Neuengamme bestattet worden waren, durch das Niedersächsische Innenministerium in das Gelände des damals noch sogenannten Russenfriedhofs integriert und ging damit in die Betreuung durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) über. Dieser hatte den damaligen ,Russenfriedhof' bereits zwischen 1945 und 1951 ausgebaut.

Das Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber von 1952 leitete die umfassendste Phase der Umgestaltung ehemaliger Lagerfriedhöfe ein. Aufgrund des steigenden Drucks von Opferverbänden forcierte der Osnabrücker Regierungspräsident der neuen Gesetzgebung folgend eine Neugestaltung aller emsländischen Lagerfriedhöfe, die Ende der 1950er Jahre beginnen sollte. Bereits 1956 definierte der Bund Kriterien der Instandsetzung, die zu Vereinheitlichungen führen sollten. 

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Das bisher einzig bekannte Foto der Namensstelen, wie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sie nennt, aus dem Jahr 1966.
(Quelle: Archiv Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge e.V.)

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Auf den Luftbildern von 1958 (links) und 1961 (rechts) ist der bauliche Zustand gut erkennbar. Im Norden entstehen erste Gebäude des heute noch vorhandenen privaten Bauernhofs.
(Quelle: Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland RW 0230 / Hansa Luftbild AG, Luftbildpläne 1951-1970 RW 0230, Nr. 7541 & 10358)

Im Jahr 1958 stellte der Osnabrücker Regierungspräsident 20.000 DM für die Neugestaltung der Anlage zur Verfügung, was einer heutigen Summe von etwa 45.000 € entspräche. Später gab das Niedersächsische Innenministerium "rd. 14.500 DM"1 als Endsumme der Kosten für die Umgestaltungen an. Beauftragt wurde der Landschaftsarchitekt Oswald Langerhans, der schon in Versen, Groß Fullen und Neugnadenfeld tätig gewesen war.2 Langerhans war ehemaliges NSDAP-Mitglied. Er profitierte früh von rassistischer Personalpolitik und wurde durch Zwangskündigung des bisherigen Leiters 1935 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (DGfG) und damit Herausgeber der Fachzeitschrift Gartenkunst. Die Gartenkunst sollte von "fremdrassige[r] Städtebauer[n]"3 und "ausländische[r] Gartenarchitekt[en]"befreit und "vom Kunstblatt zum Kampfblatt"5 umgeformt werden.

Der Friedhof in Dalum wurde unter seiner Leitung mit einem Erdwall und Jägerzaun eingefriedet. Die Grabhügel wurden eingeebnet, blieben aber durch die abweichende Bepflanzung als solche identifizierbar. Anders als noch 2019 in der ersten Informationsbroschüre zu Dalum vermutet, wurde 1958 das Gelände nicht vollständig ummauert und auch die heute noch sichtbaren Eingangspfeiler entstammen den Planungen von Langerhans' Nachfolger.6 Die 1965 vom Niedersächsischen Innenministerium fotografisch dokumentierten Mauerelemente im Eingangsbereich könnten jedoch aus dieser Gestaltungsperiode stammen (s. unten). Langerhans gestaltete wohl auch die sogenannten Namensstelen, in die neben einem orthodoxen Kreuz auch die Namen der Bestatteten (vermutlich je Massengrab) eingemeißelt waren. Woher die Informationen über die Bestatteten für die Namensstelen stammen, ist unklar. Die bisher Oswald Langerhans' Schaffen zugeordnete Anonymisierung der Toten ist damit allerdings nicht länger haltbar. Seine Sanierungsmaßnahmen in der Fläche beschränkten sich einem späteren Bericht zufolge auf den süd-östlichen Bereich des Friedhofs. Dort wurde eine locker mit Bäumen bepflanzte Rasenfläche angelegt, wie auf den historischen Luftbildern gut zu erkennen ist. Die Wege bestanden überall weiterhin aus Sand, große Teile des Geländes blieben stark bepflanzt. Inwieweit die Umgestaltungen auch andere Bereiche des Geländes betrafen, bleibt ebenso ungeklärt wie der Verbleib des zentralen sowjetischen Mahnmals. Unabhängig vom Friedhof, aber für die heutige Landschaft prägend, entstanden außerdem erste Gebäude des heute direkt nördlich angrenzenden Bauernhofs.

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Vermutlich eine Delegation von Besuchern und Besucherinnen offzieller Stellen bei einer Besichtigung der neu gestalteten Kriegsgräberstätte. Das Foto ist leider undatiert.
(Quelle: Archiv Volksbund Dt. Kriegsgräberfürsorge e.V.)

Zum Jahreswechsel 1966/67 wurden weitere Umgestaltungsmaßnahmen ergriffen, dieses Mal mit einem deutlich höherem Budget von 50.000 bis 60.000 DM: Unter dem nun beauftragten Landschafts- und Gartenarchitekten Rudolf Stichnothe wurden die heute noch existenten ",[...] symbolische[n] Grabmale mit russisch-orthodoxem Zweibalken-Kreuz'"7 sowie ein zentraler Gedenkstein anstatt des Obelisken aufgestellt. Angefertigt wurden alle Mitte 1967 vom Steinmetz Gerd Ruwe. Errichtet wurde auch der ovale Gedenkstein auf dem Teil der ehemaligen KZ-Grabstätte an der nordöstlichen Ecke des Geländes.

Bereits vier Jahre zuvor kritisierte zwar der damalige niedersächsische Innenminister Otto Bennemann mit Verweis auf die variierende Konfession oder Konfessionslosigkeit der Begrabenen die einheitliche Markierung der Gräber von sowjetischen Kriegsgefangenen mit orthodoxer Kreuzsymbolik. Bennemanns Kritik blieb jedoch ohne Folgen für die Gestaltung in Dalum und die anonyme Grabmarkierung umgesetzt.

Gräberanlage für Russische Kriegstote 1939/1945 bei Dalum, Landkreis Meppen - Übersichtsplan

Stichnothes Übersichtsplan über den Aufbau und Zustand des Geländes (1965).
(Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Osnabrück, Rep 430 Dez 207 Akz. 48/1990 Nr. 84 Aufn. 002)

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Plan für die Instandsetzungsarbeiten von Stichnothe (1966) mit nun vergrößerten Gräberreihen. Durch seine Auflösung der historischen Wegestruktur ist eine Identifizierung der Grablagen heute erschwert.
(Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Osnabrück, Rep 430 Dez 207 Akz. 48/1990 Nr. 84 Aufn. 001)

Nach Geländebegehungen 1965 dokumentierte Stichnothe den bisherigen Zustand des Geländes und plante seine Änderungen 1966. Zwei Jahre später, 1968, errichtete das Gartenbauunternehmen nach seinen Plänen eine neue Mauer, die das gesamte Gelände klarer als der bisherige Jägerzaun abgrenzen sollte und zwei steinerne Eingangspfeiler, die heute noch vorhanden sind. Der dichte Baum- und Strauchbestand wurde massiv gelichtet. Die Anzahl der Wege in Querrichtung wurde deutlich reduziert. Markierten diese bisher die tatsächlichen Grabreihen, behandelte Stichnothe seine neu entstandenen und nun durch Plattenwege getrennten Flächen ungeirrt weiterhin als "Gräberreihen"8.

1974 wurden Mauer und Eingangspfeiler im Rahmen von erneuten Instandsetzungsarbeiten unter Heinz Nolte und Jürgen Zillmer fünf Meter nach außen versetzt sowie instandgesetzt und die Fläche der Kriegsgräberstätte damit vergrößert. Weiterhin wurden die erst wenige Jahre alten Plattenwege entfernt, der Weguntergrund in den heutigen Zustand verändert und die Bepflanzung der Rasenfläche mit Birken vorgenommen. Die Gräberreihen wurden so weiter verundeutlicht. Der Eingang wurde um das heute noch verwendete schmiedeeiserne Tor erweitert, eine Bronzetafel zur rechten Seite im Eingangsbereich ergänzte die Neugestaltung. Zudem ersetzte die erneut von Gerd Ruwe gestaltete Mantelmadonna seinen bisherigen Gedenkstein als zentrales Element der Friedhofsfläche. Gründe für das Ersetzen der zentralen Stele sind nicht bekannt. Die Gesamtsumme für die finale Umgestaltung 1974 entspräche heute etwa 111.000€.

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[1] aus: Archiv des Niedersächsischen Innenministerium (1965): Dokumentation über Grabstätten sowjetischer Kriegstoter in der Bundesrepublik. Darin: Gräberanlagen in Niedersachen auf denen russische Kriegstote bestattet sind. Signatur 199112 -14. 
[2] Düben, Ann Katrin (2019), S. 334.
[3] Langerhans, O. (1935), S. 17.
[4] ebd.
[5] ebd.
[6] Koers, M. (2019), S. 47f. 
[7] ebd., S. 49. 
[8] aus: Erläuterungsbericht von Rudolf Stichnothe, 25.01.1966, Blatt 2, in: NLA Rep 430. Akz. 48/1990 Nr. 84.