Bildungsarbeit des DIZ und der Gedenkstätte Esterwegen

Wie andernorts tat man sich auch im Emsland mit der Aufarbeitung der Geschichte der Zeit des Nationalsozialismus und der in diesem Kontext entstandenen Emslandlager lange schwer. Zwar organisierten sich bereits in den 1950er Jahren ehemalige Häftlinge der Emslandlager als Interessensvertretung, die Moorsoldaten fanden jedoch wenig Aufmerksamkeit. Erst die Recherchen der Journalisten der Ems-Zeitung Hermann Vinke und Gerhard Kromschröder in den 1960er Jahren - gegen zahlreiche Widerstände aus Behörden und Bevölkerung - führten zu einer zunehmenden Beschäftigung mit dem Themenkomplex.

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Ausstellungsraum der Dauerausstellung des DIZ in Papenburg (2011).
(Foto: Heinz-Gerd Rieke, Archiv des AK DIZ Emslandlager)

Die Gedenkstättenbewegung, aus einer Neuen Geschichtsbewegung heraus entstanden, tat im Emsland erste Schritte zur Institutionalisierung der Erinnerungspolitik mit der Gründung einer Geschichtswerkstatt durch Oldenburger Studierende, die für die Errichtung eines Dokumentations- und Informationszentrums eintraten. In den 1980er Jahren institutionalisierte sich dieses lokale Engagement zunächst durch die Gründung (17. April 1981) des Aktionskomitees für ein Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager e.V., das im Wesentlichen aus dem Papenburger Arbeitskreis Carl von Ossietzky (Ossietzky zählt zu den bekanntesten Häftlingen des Lagers Esterwegen), Studierenden und Lehrenden der Universität Oldenburg sowie aus engagierten Bürger:innen und ehemaligen KZ-Häftlingen bestand.

Aus dem Arbeitskreis entwickelte sich das Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager, dessen erste Ausstellung 1985 in Papenburg eröffnete. Trotz seiner Regionalität schafften es die Aktivist:innen, überregionale Aufmerksamkeit zu erzeugen. 1991 wurde mit umfassender Unterstützung des Landes Niedersachsen, des Landkreises Emslandes und der Stadt Papenburg ein neues Gebäude errichtet und zwei erste bezahlte Stellen eingerichtet. Das DIZ arbeitete dort mit einer Dauer- sowie wechselnden Sonderausstellungen, einem großen Archiv, Vorträgen, Führungen, Infoveranstaltungen für Jugendliche, Seminaren und Workshops. 1990 einstimmig beschlossen, errichtete der Landkreis Emsland 1991/1992 an den unsichtbar gemachten oder weiterhin als Strafanstalten geführten Orten der nationalsozialistischen Verbrechen Informationstafeln.

"Im Februar 1983 versprach der niedersächsische Justizminister Walter Remmers dem Aktionskomitee eine Baracke des Lagers XI Groß-Hesepe, die in Esterwegen wieder aufgebaut und zentraler Bestandteil des DIZ werden sollte. Nach dem Regierungswechsel in Bonn nahm Verteidigungsminister Wörner die Zusage seines Vorgängers Apel mit der Begründung zurück, die Bundeswehr benötige das Gelände für die Aufstellung zweier Reservelazarettbaracken. Das Aktionskomitee protestierte gegen diese Entscheidung und forderte mit Eingaben an die zuständigen Parlamentsausschüsse und in einer Unterschriftenaktion die Rücknahme des Bonner Beschlusses. Im Dezember 1983 diskutierte der Bundestag einen Antrag der SPD-Fraktion auf Errichtung eines Informationszentrums auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Esterwegen. Mit den Teilnehmern der Bundestagsdebatte veranstaltete das Aktionskomitee eine Podiumsdiskussion in Papenburg, um seine Forderungen nach einem DIZ zu bekräftigen. Dabei gaben Vertreter des Vereins zu erkennen, daß als Standort auch ein anderer Ort als Esterwegen denkbar sei."1 (Hannelore Weißmann)

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Aus dem Tagebuch des Internationalen Workcamps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Nordhorn 1997.
(Quelle: Sabine Mithöfer, Aktionskomitee DIZ Emslandlager e.V., Papenburg)

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), der anfänglich die Verantwortung für Pflege des Friedhofs übernommen hatte, etablierte als seinen Arbeitsschwerpunkt bundesweit in den 1950er Jahren die Durchführung von Jugendworkshops. 1997 veranstaltete der Bezirksverband Weser-Ems in Nordhorn einen dreiwöchigen internationalen Jugendworkshop mit Teilnehmenden aus zahlreichen Ländern. Neben praktischen Arbeiten der Pflege der Friedhöfe u.a. in Dalum und Füchtenfeld, bei denen das Unterholz gerodet und die Steinstelen gereinigt wurden, kontextualisierte Sabine Mithöfer, heute stellvertretende Vorsitzende des DIZ, damals als Angestellte des Volksbundes die Historie der Orte.

2001 konnte der Landkreis Emsland das Gelände des ehemaligen Lagers Esterwegen von der Bundeswehr übernehmen (diese hatte das ehemalige Lagergelände lange als Depot genutzt) und mit den Planungen zum Aufbau einer zentralen Gedenkstätte für alle Emslandlager zu beginnen.

2008 erfolgte in diesem Kontext die Gründung der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, die Eröffnung erfolgte 2011. Das Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager e.V. zog mit seinen Beständen von Papenburg in die Gedenkstätte Esterwegen, und verantwortete von 2011 bis zum Ruhestand der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jahre 2019 die gedenkstättenpädagogische Bildungsarbeit vor Ort.

Die Gedenkstätte Esterwegen arbeitet in den letzten Monaten vermehrt und gezielter an der Sichtbarmachung der Geschichte der Kriegsgräberstätte Dalum. Sowohl DIZ als auch die Gedenkstätte betreuen Angehörige bei der Organisation eines Besuchs oder der Niederlegung privater Gedenksteine. In einer Kooperation mit dem Landkreis Grafschaft Bentheim plant die Gedenkstätte für die kommenden Jahre verschiedene gemeinsame Forschungsprojekte, u.a. den weiteren Ausbau einer Online-Datenbank der Opfer sowie die Entwicklung einer Themenroute mit dazugehöriger Broschüre und Veranstaltungen. Bereits 2019 erschien erstmals eine Broschüre der Gemeinde Geeste mit ersten Forschungsergebnisse der Gedenkstätte und Gemeinde zur Geschichte der Kriegsgräberstätte, begleitend zur einer Wanderausstellung und rahmenden Vorträgen an verschiedenen Orten im Emsland. Eine Kabinettsausstellung stellt in der Gedenkstätte Esterwegen die Ergebnisse der Herbstschule auf der Kriegsgräberstätte Dalum vor. Für die Gemeinde Geeste bietet Martin Koers (ebenfalls Co-Leiter der Gedenkstätte) seit 2022 erstmalig öffentliche Führungen zur Geschichte der Kriegsgräberstätte an.

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[1] Weißmann, H. (1991), o.S.