Herbstschule Aschendorfermoor (2020)

Anfang Oktober 2020 fand im Rahmen des Kooperationsprojektes 'Boden|Spuren. Gewaltorte als Konfliktlandschaften in der Geschichtskultur' im Kontext des durch das Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM) geförderten Programms 'Jugend erinnert’ zwischen der Gedenkstätte Esterwegen und der Universität Osnabrück die erste von drei geplanten Prospektionen, Herbstschule Aschendorfermoor, statt. Im Verlaufe der drei Projektjahre waren insgesamt drei Herbstschulen im Kontext ehemaliger Standorte der Emslandlager geplant.
Mit dem Ziel, Nachwuchswissenschaftler:innen, darunter besonders auch angehende Lehrer:innen, an interdisziplinäre Forschung mit Anbindung an institutionalisierte Bildungsarbeit sowie public history im Kontext von Konfliktlandschaften heranzuführen, sollten die Studierenden der Universität Osnabrück möglichst als eigenständige Akteur:innen und Forscher:innen in die Messungen vor Ort involviert werden. 

Lagerinfrastruktur über heutigem Luftbild des ehemaligen Standortes des Strafgefangenenlagers II Aschendorfermoor

Lagerinfrastruktur über heutigem Luftbild des ehemaligen Standortes des Strafgefangenenlagers II Aschendorfermoor.
(Quelle Abbildung: Dr. Andreas Stele;
Quelle Basisdaten: Esri, Maxar, Earthstar Geographics, and the GIS User Community)

Zur Vorbereitung und Planung der Untersuchungen wurden zunächst historische Quellen analysiert und mithilfe geschichtswissenschaftlicher Methoden die Forschungen auf dem Gelände des ehemaligen Lager II Aschendorfermoor vorbereitet. Aus verschiedenen Quellen wie Zeitzeugenaussagen, Planskizzen des Lagers sowie historischen Luftbildern wurden insgesamt Untersuchungsorte dreier - laut historischer Quellen - Orte von Massengräbern getöteter Gefangenen definiert. Ziel der Untersuchungen auf dem ehemaligen Lagergelände war es, die Orte der Massengräber sowie die Lagerstrukturen zu detektieren. Diese wurden dann in historischen und rezenten Luftbildern georeferenziert verortet. Ebenso wurden amtliche LiDAR-Geländemodelle1 mit historischen Luftbildern abgeglichen, um darauf aufbauend die Konturen des Lagers wie beispielsweise des zum Lager gehörigen Sportplatzes und der Schießbahn der Wachmannschaften zu kartieren. Mit dem Wissen um die Struktur des Lagers und die mögliche Lokalisierung der Massengräber konnten die Wissenschaftler:innen die geoarchäologischen Methoden auf dem ehemaligen Lagergelände zielgerichtet und effizient einsetzen.

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Einmessen und Abstecken der Messpunkte während der Herbstschule auf dem ehemaligen Standort des Strafgefangenenlagers II Aschendorfermoor.
(Quelle: Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung, Universität Osnabrück)

Die Teilnehmer:innen bereiteten die Messungen im Feld entsprechend vor und lernten hier, wie Messflächen eingemessen und vorbereitet werden, um die Ergebnisse in der Nachbereitung erneut exakt verorten zu können. Neben der Vorbereitung der Messungen zu Beginn der Kampagne, konnte so das wissenschaftliche Vorgehen in der Praxis erprobt und die Grundlagen der praktischen Umsetzung - von Geschichtswissenschaft zu Geophysik - erlernt werden.

Vermutlich aufgrund des stark rigolten (gepflügten) Bodens traten während der geoarchäologischen Untersuchungen zahlreiche Lesefunde2 auf dem heutigen Acker zutage.3 Unter diesen befanden sich Knöpfe, Tuben, Kondensatoren und auch eine Patrone – Gegenstände, die sehr wahrscheinlich aus der Lagerzeit stammen. Sie sind in Vitrinen in der Gedenkstätte Esterwegen ausgestellt.

Um die Ergebnisse der Herbstschule Aschendorfermoor zusammenzufassen und im Sinne der public history zugänglich zu machen, wurde in der Nachbearbeitung bereits mit den studentischen Teilnehmer:innen Überlegungen zu didaktischen Konzeptionen der Vermittlung der erworbenen Kenntnisse angestellt. Davon ausgehend wurden erste Ideen zur Konzeption einer digitalen Ausstellung wie der hier präsentierten gesammelt und schließlich praktisch umgesetzt.

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[1] LiDAR = Light Detection and Ranging. Hierbei handelt es sich um hochaufgelöste Scans der Bodenoberfläche. Durch die Vielzahl einzelner Datenpunkte entstehen sogenannte Punktwolken, aus denen sehr genaue 3D-Modelle der oberflächlichen Bodenstrukturen generiert werden können. Die Scans werden i.d.R. mit einem an einer Drohne montierten LiDAR-Scanner aufgenommen.

[2] Lesefunde sind Funde, die ohne gezielte Grabungsarbeiten gemacht werden. Sie geraten häufig bspw. durch Pflügen des Geländes an die Oberfläche, werden vom Boden 'aufgelesen'.

[3] Für weitere Informationen zur Geschichte der Umpflügungen lohnt ein Besuch des Moormuseum Emsland. Hier findet sich beispielsweise ein Ottomeyer Kipppflug ausgestellt.