Das Lager II Aschendorfermoor im System der Zwangsarbeit

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Häftlinge bei Kuhlarbeiten im Moor.
Aufnahme und Beschriftung aus einem Fotoalbum des Kulturbauamtes Meppen.
(Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Osnabrück, Slg 50, Nr. 207)

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gewann die Moorkultivierung im Emsland eine neue Bedeutung. Propagiert wurde diese Maßnahme zur Urbarmachung als "nationale Aufgabe im Sinne der 'Volksgemeinschaft'"1, denn es sollten neue Siedlungsflächen entstehen. Fortan wurden dafür Häftlinge und Gefangene der Emslandlager eingesetzt, die im Moor schwerste Zwangsarbeit leisten mussten. Die Zwangsarbeit bestand vor allem darin, dass die Häftlinge und Gefangenen den Moorboden entwässern und umgraben mussten sowie Straßen und Wege anzulegen hatten.

Auch das nebenstehende Bild eines Fotoalbums zeigt, wie Häftlinge händisch das Moor kultivieren mussten. Die Beschriftung lautet: "Die Bodenschichten werden in der Weise umgekehrt, daß die wertlosen Schichten in eine für den Pflug nicht erreichbare Tiefe kommen, die wertvollen jedoch nach oben. Der Ortstein wird durchbrochen."
Die Häftlinge und Gefangenen haben das Moor so umgraben müssen, dass die Schichten, in denen sich viele Nährstoffe und Mineralien befanden, an der Oberfläche liegen würden. So konnte auf diesen kultivierten Flächen überhaupt erst Landwirtschaft betrieben werden. Ortstein ist eine sehr harte, wasserundurchlässige Bodenschicht, die sich nach der letzten Eiszeit durch verschiedene chemische Vorgänge gebildet hat. Für die Häftlinge und Gefangenen war es schwerste körperliche Zwangsarbeit, diesen zu durchbrechen. Das Durchbrechen des Ortsteins verhinderte die Wiedervernässung bzw. das Wiederentstehen von Mooren.2

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Häftlinge bauen einen Vorfluter.
Aufnahme aus einem Fotoalbum des Kulturbauamtes Meppen.
(Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Osnabrück, Slg 50, Nr. 207)

Für die Entwässerung der Moore mussten die Häftlinge zunächst Vorfluter bauen. Vorfluter sind kanalähnliche Gräben, durch die Wasser abfließen kann. Das in den Moorschichten befindliche Wasser sollte über die Vorfluter in den naheliegenden Küstenkanal und letztlich in die Nordsee gelangen. Eine Zwischenstation bildeten Schlammabsitzbecken. Dies waren größere Gruben, die die Häftlinge und Gefangenen ausheben mussten. In ihnen wurde der in den Vorflutern mittransportierte Schlamm gesammelt, damit er nicht in den Küstenkanal gelangt.

Bei der Arbeit im Moor verzichteten die Nationalsozialisten bewusst auf technische Hilfsmittel, um die Arbeit körperlich härter und somit als Strafe gestalten zu können. Die Lager waren ab 1934 bzw. 1937 unmittelbar in den Strafvollzug der Justiz eingebunden und stellten für "das Reichsjustizministerium die 'Strafanstalten der Zukunft', 'den modernsten Teil des Strafvollzuges' dar"3.

Auch nach außen wurden die Lager und die Zwangsarbeit so präsentiert, dass auch eine internationale Gruppe von Vertretern eines Kongresses 1935 zu diesem Urteil kamen. Für die Häftlinge und Gefangenen bedeutete dies körperliche Schwerstarbeit, die durch  die unmenschlichen Lebensbedingungen sowie durch Misshandlungen und Schikanen noch härter wurde.

Karl Schröder, geboren 1884 in Polzin (Pommern), war 1939/40 Strafgefangener in den Lagern Börgermoor und Walchum und beschrieb die Arbeit im Moor rückblickend so:

"Wir mussten wieder einmal ‚kuhlen’: Das Kuhlen ist eine verteufelte Arbeit und jedenfalls die schwerste im Moor. Und dazu kam die Forderung: Jeder Sträfling hat an einem Tag rund 20 Kubikmeter Erde zu bewegen. Du stehst inmitten wilder Heide. Das Kraut ist hoch und dicht und stark, mit tausend Wurzeln im Boden verklammert. Es wird zuerst in Soden zerstochen; die Soden in Schichten aufgestapelt; der Rest der Muttererde gesondert. Und weiter gräbst du dich in die Tiefe. Schicht folgt auf Schicht; zuerst der Torf und dann das Moor und dann der Dreck und ganz zuletzt der schreckliche Bleisand. Mal triffst du ihn schnell – diesen Ton und Sand, dann wieder musst du 2m graben. Aus den Seitenwänden sickern die Quellen; du stehst bis über die Knöchel im Wasser. Der Spaten bindet sich in den Sand, als müsstest du zähen Leim ausheben. 4m sind dein Platz im Graben."4

Mit Kriegsbeginn rückte die Kultivierung zugunsten der Kriegswirtschaft mehr und mehr in den Hintergrund. Viele Häftlinge und Gefangene wurden nun vor allem zu Zwangsarbeiten in kriegswichtigen (regionalen) Betrieben, der Landwirtschaft oder in Außenkommandos zum Bau von Straßen und Bunkern oder zur Schuttbeseitigung eingesetzt. Sie sollten den starken Arbeitskräftemangel ausgleichen.

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[1] Weitkamp, Sebastian (2017): Brechung des Widerstands und Machtsicherung des NS-Systems. Die Konzentrationslager im Emsland 1933-1936, in: Faulenbach, Bernd/Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933-1945. Göttingen: Wallstein-Verlag, S. 28.

[2] Die Moorkultivierung wird aus heutiger umweltschützender Perspektive als problematisch betrachtet. Moore speichern große Mengen Kohlendioxid und tragen daher zum Klimaschutz bei. Dies allerdings nur im wassergesättigten, natürlichen Zustand. Aufgrund der Moorkultivierung müssen ehemals kultivierte Moore heute aufwändig künstlich bearbeitet werden, um wieder in ihren natürlichen Zustand zu gelangen und Kohlendioxid zu speichern.

[3] Walter, Bernd (2017): Die Strafgefangenenlager im Emsland 1934-1945. Strafverfolgung und Strafvollzug im Dienste der »Volksgemeinschaft«, in: Faulenbach, Bernd / Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933-1945. Göttingen: Wallstein-Verlag, S. 119.

[4] Schröder, Karl (1995): Die letzte Station, in: Schröder, Karl / Ausländer, Fietje (Hrsg.): Die letzte Station (DIZ-Schriftenreihe 7), mit Beitr. von Habbo Knoch, Ursula Lamm und Heinrich Schneel, Bremen: Edition Temmen, S 102.