Lager VIII Wesuwe

Wesuwe 01 - Q ArchEst (1).tif

Stalag VI B, Zweiglager Wesuwe 1939/40.
(Quelle: Archiv der Gedenkstätte Esterwegen)

Das Lager VIII Wesuwe wurde von der Justizverwaltung errichtet, um das System der emsländischen Strafgefangenenlager von sieben auf fünfzehn Lager auszubauen und mehr Strafgefangene zur Moorkultivierung einsetzen zu können. Es war für 1.000 Strafgefangene geplant und wurde im Juni 1938 fertiggestellt. Im September 1938 wurden acht Baracken abgebaut und im Raum Zweibrücken (Pfalz) neu errichtet, wo Strafgefangene Zwangsarbeit zum Ausbau der Befestigungen am sogenannten Westwall leisten mussten.

Bis Mai 1939 wurde das Lager Wesuwe wiederaufgebaut, jedoch bis zum Sommer nicht mehr belegt. Nach Kriegsbeginn im September 1939 übernahm das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) das Lager als Kriegsgefangenenlager und ordnete es als Zweiglager dem Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) VI B Neu Versen zu. 1939/40 waren jedoch nur wenige Kriegsgefangene in Wesuwe untergebracht. Erst nach den militärischen Anfangserfolgen und dem Überfall auf die Sowjetunion erhöhte sich ihre Zahl deutlich. Im September 1941 war das Lager mit 2.100 kriegsgefangenen sowjetischen Soldaten belegt. Im Mai 1942 wurde das Lager dem Stammlager VI C Bathorn, 1943 schließlich dem Offizierslager Oberlangen angegliedert.

Aleksandr Machnatsch.png

Aleksandr Iwanovitsch Machnatsch
(1922-2001) im Jahr 1939.
(Quelle: Museum der Verteidigung der Brester
Festung, Brest)

Die harte Zwangsarbeit in der Moorkultivierung, in der Landwirtschaft und gewerblichen Unternehmen führte in Verbindung mit den unzureichenden Lebensbedingungen und mangelhafter Ernährung zum Tod zahlloser Kriegsgefangener. Die Lagerleitung verhängte oft drakonische Strafen. Aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie wurden vor allem die sowjetischen Kriegsgefangenen rücksichtslos behandelt. So traf der deutsche Generalquartiermeister Eduard Wagner schon im Jahr 1941 eine Aussage, die symptomatisch für die nationalsozialistische Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener ist. Demnach hätten "[n]ichtarbeitende Kriegsgefangene in den Gefangenenlagern [...] zu verhungern."1

Wie sich diese und gleichgelagerte Motive nationalsozialistischer Entscheidungsträger in der Praxis äußerten, lässt sich an den Zeugnissen des sowjetischen Kriegsgefangenen Aleksandr Machnatsch (rechts im Bild) veranschaulichen. Der 1922 im weißrussischen Teil der Sowjetunion geborene Machnatsch wurde 1941 nach dem Abschluss seiner militärischen Ausbildung als Teil der Roten Armee in Brest stationiert. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Machnatsch verwundet und geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft. Nach Aufenthalten in verschiedenen Kriegsgefangenenlagern kam Machnatsch 1944 in das Lager Wesuwe. Hier berichtet er über die Zustände im Lager Wesuwe in einem Brief an seine Mutter:

"Dorthin waren wir rund 500 Kommandeure am 1. Dezember 1944 gebracht worden, wo täglich 18-20 Menschen aus Hunger starben. Wer dort umfiel, stand dann nicht mehr auf. Ich bestand nur noch aus Knochen, Wunden öffneten sich, und ich stand nicht mehr auf. Noch 10-12 Tage, und ich wäre nicht mehr unter den Lebenden gewesen."2

Wesuwe 03 1945 04 13 - Q Stirton.jpg

Befreite sowjetische Kriegsgefangene im ehemaligen Lager Wesuwe.
Viele von ihnen sind kriegsverletzt und abgemagert. Aleksandr Machnatsch ist der Dritte von links.
(Quelle: Library and Archives Canada, PA 15918)

Machnatsch wurde zusammen mit den anderen Kriegsgefangenen des Lagers Wesuwe am 9. April 1945 von kanadischen Truppen befreit. Er beschrieb diesen Moment in einem Brief an seine Mutter als seine zweite Geburt und drückte seine Dankbarkeit gegenüber den kanadischen Truppen aus. Kurz nach seiner Befreiung kam Machnatsch zurück in seine Heimat. Er lebte noch bis 2001 im weißrussischen Minsk.
Nach der Befreiung waren im Lager noch einige Zeit befreite Kriegsgefangene und später ehemalige Zwangsarbeiter untergebracht.

In den 1950er Jahren erfolgte die Abtragung der Gebäude und die Freigabe zu einer landwirtschaftlichen Nutzfläche. Im Rahmen eines laufenden Projektes des Archivs der Gemeinde Geeste in Kooperation mit der Gedenkstätte Esterwegen tragen ehrenamtlich tätige Interessierte Lebensdaten verstorbener sowjetischer Kriegsgefangener in einer Datenbank zusammen, um die Erinnerung an diese zahlenmäßig größte Opfergruppe in der Region wachzuhalten. Sie finden das daraus entstandene Gedenkbuch hier. Auf der Kriegsgräberstätte Wesuwe - dem ehemaligen Lagerfriedhof - ruhen 98 sowjetische Soldaten in Einzelgräbern und 2.000 bis 4.000 überwiegend unbekannte sowjetische Kriegsgefangene in Sammelgräbern.

______________________________________________________________

[1] zitiert nach: Liedke, Karl: Völkerrecht und Massensterben. Die Kriegsgefangenenlager im Emsland und in der Grafschaft Bentheim 1939-1945, in: Faulenbach, Bernd / Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933-1945, Göttingen: Wallstein-Verlag, S. 203.
[2] Auszug aus: Brief vom Aleksandr Machnatsch an seine Mutter Olga Nikolajewna vom 13. April 1945 aus dem Lager Wesuwe. (Quelle: Museum der Verteidigung der Brester Festung, Brest (Weißrussland))