Lager VI Oberlangen

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Das Strafgefangenenlager VI Oberlangen auf einem Luftbild von 1937.
(Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv - Abteilung Osnabrück, K Akz 2001/014, Nr. 279 H)

Im nordemsländischen Oberlangen befand sich von 1933 bis 1945 das Lager VI Oberlangen. Nach dem Bau 1933 diente es zunächst als Ausbildungslager für SA-Wachmannschaften. Ab April 1934 nutzte die Justizverwaltung das Lager zur Unterbringung von 1.000 Strafgefangenen. Die Bewachung übernahm eine im Dienst der Justiz stehende SA-Einheit, die später durch Justizbeamte ergänzt wurde.

Im Jahr 1935 waren im Monatsdurchschnitt 788 Strafgefangene inhaftiert. Davon befanden sich etwa 80 Prozent im Arbeitseinsatz. Etwa die Hälfte der Strafgefangenen aus Oberlangen wurde im September 1938 zum Bau von Befestigungsanlagen in die Pfalz abgezogen. Erst im Sommer 1939 war das Lager wieder mit 800 bis 1.000 Strafgefangenen belegt.

Nach Kriegsbeginn im September 1939 übernahm das Oberkommando der Wehrmacht das Lager als Kriegsgefangenenlager und ordnete es als Zweiglager dem Kriegsgefangenen-Mannschaftstammlager (Stalag) VI B Neu Versen zu. 1940/41 war das Lager mit etwa 1.400 polnischen Fähnrichen, im Herbst 1941 mit 2.000 sowjetischen Soldaten belegt. 1943 wurde Oberlangen ein Offizierslager. Am 1. September 1944 waren hier 4.967 italienische Militärinternierte und 920 kriegsgefangene sowjetische Offiziere registriert.

Lazarettpatientinnen werden auf einen Spaziergang geführt

Polnische Frauen nach ihrer Befreiung im ehemaligen Lager Oberlangen im Mai 1945.
"Lazarettpatientinnen werden auf einen Spaziergang geführt. Viele der Frauen leiden noch an Kriegsverletzungen" (Originalbeschriftung, Übersetzung aus dem Englischen).
(Quelle: Library and Archives Canada, PA 159547, Fotograf: Alexander M. Stirton)

Nach dem Scheitern des Warschauer Aufstandes wurden kriegsgefangene Soldatinnen der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) nach Oberlangen gebracht. Sie sind die einzigen weiblichen Gefangenen, die in den Emslandlagern inhaftiert waren.1 Unter den am Warschauer Aufstand beteiligten Angehörigen der polnischen Heimatarmee gerieten etwa 3.000 Frauen in deutsche Kriegsgefangenschaft, von denen ungefähr 1.700 zwischen Dezember 1944 und April 1945 im Lager VI Oberlangen interniert waren. Während der Internierung im Lager VI Oberlangen wurden sie hauptsächlich für Arbeiten wie Reinigung oder Kochen herangezogen und wurden dabei der Führung der im Lager angestellten deutschen Frauen unterstellt. Wie ihre männlichen Mitgefangenen waren auch die polnischen Soldatinnen Schikanen durch die Wachmannschaft ausgesetzt. Am 12. April 1945 wurde das Lager durch die 1. Polnische Panzerdivision befreit. Dennoch blieben die polnischen Soldatinnen nach der Befreiung zunächst im Lager VI Oberlangen, da eine unmittelbare Rückkehr nach Polen nicht möglich war. Zwischen der erstmaligen Internierung von polnischen Soldatinnen und der schlussendlichen Befreiung wurden im Lager Oberlangen neun Kinder durch polnische Frauen geboren.

Nach der Befreiung der Lager und dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 mussten viele der befreiten Kriegsgefangenen zunächst in den Lagern bleiben. Insgesamt befanden sich nach Kriegsende ca. 18.000 polnische Zivilpersonen und ehemalige Kriegsgefangene im Emsland. Um diese Menschen unterzubringen, mussten die Bewohner:innen der Stadt Haren auf Befehl der britischen Militärregierung Ende Mai 1945 ihre Häuser und Wohnungen verlassen. In diese zogen die Polen und Polinnen ein und blieben bis 1948 in Haren. Die Stadt hieß in dieser Zeit Maczków, benannt nach dem General der 1. Polnischen Panzerdivision Stanisław Maczek.

Polnische Frauen im befreiten Lager VI Oberlangen

Das Lager VI Oberlangen nach der Befreiung im Mai 1945.
(Quelle: Library and Archives Canada, PA 159547, Fotograf: B.J. Gloster)

Auf der Kriegsgräberstätte Oberlangen - dem ehemaligen Lagerfriedhof - ruhen 62 sowjetische Soldaten in Einzelgräbern und 2.000 bis 4.000 unbekannte sowjetische Kriegsgefangene in Sammelgräbern. Im Rahmen eines laufenden Projektes des Archivs der Gemeinde Geeste in Kooperation mit der Gedenkstätte Esterwegen tragen ehrenamtlich tätige Interessierte Lebensdaten verstorbener sowjetischer Kriegsgefangener in einer Datenbank zusammen, um die Erinnerung an diese zahlenmäßig größte Opfergruppe in der Region wachzuhalten. Nach Kriegsende waren auf dem Gelände noch wenige Jahre befreite Kriegsgefangene untergebracht, wobei es sich zum Großteil um polnische Soldatinnen handelte. Ab 1950 erfolgte die Abtragung der Gebäude und die Freigabe zur privaten Besiedlung.

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[1] Vgl. Faulenbach, Bernd (2017): Die Emslandlager in der deutschen und europäischen Geschichte, in: Faulenbach, Bernd / Kaltofen, Andrea (Hrsg.): Hölle im Moor. Die Emslandlager 1933-1945. 3. durchges. Aufl., Göttingen: Wallstein Verlag, S. 22